"Die verdammte Macht": Tagung in Tutzing stellt klare Verfahren, solidarisches Handeln und wirksamen Schutz vor Machtmissbrauch in der Evangelischen Kirche in den Mittelpunkt
Unter dem Titel „Die verdammte Macht“ fand am 27. und 28. Januar 2025 in Tutzing eine gemeinsame Fachtagung der Evangelischen Akademie Tutzing und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern statt. Expertinnen, betroffene Personen und Vertreterinnen der Kirche diskutierten über Machtmissbrauch, die Verantwortung der Kirche und notwendige Reformen. Wo Macht missbraucht werde, stehe die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Spiel, so Landesbischof Christian Kopp: „Die Botschaft von der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und dem Respekt vor jedem Leben wird fundamental beschädigt. Ich sehe es als zentrale kirchliche Aufgabe uns den Themen Macht und Machtmissbrauch zu stellen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und wirksame Strukturen für die Zukunft weiterzuentwickeln, die Machtmissbrauch so gut es nur geht verhindern.“ Dr. Oliver Dimbath, Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Koblenz-Landau, identifizierte die „organisationale Trägheit“ als Hindernis zur Kontrolle von Machtmissbrauch. Er würdigte „dritte“ Instanzen, die in medialer, rechtlicher und organisationsleitender Funktion zur Kontrolle von Macht beitragen. Dr. Kristin Merle, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg und Mitglied der EKD-Synode, stellte den neuen Arbeitsprozess „Kirche & Macht“ vor. Sie kritisierte die „Dethematisierung“ von Macht, etwa durch die für Kirchenjargon typische Anrede „Geschwister“. Sie betonte deshalb die Notwendigkeit, offen über Macht zu sprechen und „Grenzkompetenz“ zu entwickeln, um Machtmissbrauch aufzudecken und zu verhindern. Prof. Dr. Jörg Fegert, ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm, plädierte für faire, transparente Verfahren und eine Moral der Zusammenarbeit. Diese können das Vertrauen der Betroffenen in die Institution wieder stärken, indem Wissen korrekt und transparent vermittelt wird. Er betonte zudem das Potenzial der Kirche als Kompetenzort für effektive Traumahilfe. Dr. Reiner Anselm, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der LMU München, hob hervor, dass „tätige Verantwortung bedeutet, sich an den Betroffenen zu orientieren.“ Gerade in Fällen sexualisierter Gewalt sei es zentral, die Perspektive der betroffenen Personen einzunehmen. Missbrauch gefährde nicht nur Menschen, sondern auch den Glauben. Anselm forderte klare Leitlinien und eine selbstkritische und offene Haltung der Kirche.
In einer Podiumsdiskussion wurde die Bedeutung klarer Verfahren hervorgehoben, um Missstände wie in ehemaligen Heimen aufzuarbeiten. Die Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der bayerischen Landeskirche, Martina Frohmader, sagte, dass es für den Umgang mit den wichtigen Themen einen Maßnahmenkatalog der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gebe, der kontinuierlich weiterentwickelt wird. Dabei gäbe es einen Konflikt. Den Landeskirchen und den diakonischen Landesverbänden gehe es zusammen mit der EKD und der Diakonie Deutschland um einheitliche Regelungen in allen Bundesländern.
Betroffene Personen und die Öffentlichkeit erwarten aber schnelle Lösungen. Innovative Konzepte wie „brave spaces“ – Räume, die Mut und Offenheit fördern – wurden als essenziell für nachhaltige Veränderungen diskutiert. Betroffenenvertreterin Karin Krapp betonte: „Es gab im Zuge der ForuM-Studie keine grundlegende Solidarisierung mit den Betroffenen innerhalb der evangelischen Kirche in dem Sinne: ‚Das betrifft uns alle.‘ An der Solidarität mit Betroffenen kommen Kirche und Gesellschaft aber nicht vorbei. Inzwischen gibt es eine Sensibilisierung für die Bedarfe Betroffener und ein Agieren auf Augenhöhe in vielen Belangen in der Arbeit des Beteiligungsforum. Hier sind Fortschritte erreicht worden.“
Die Tagung machte deutlich: Eine glaubwürdige Kirche erfordert entschlossenes Handeln, klare Strukturen und wirksame Schutzkonzepte, um Vertrauen wiederherzustellen und Missbrauch nachhaltig zu verhindern.
München, 29. Januar 2025
Christine Büttner, Pressesprecherin
Weitere Informationen zu den Schwerpunkten der Tagung:
https://www.ev-akademie-tutzing.de/veranstaltung/die-verdammte-macht/
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