Im Oktober wurde unsere Orgel aufwändig saniert. (Bilder werden noch folgen) Orgelbaumeister Norbert Bender schreibt uns dazu einen lesenswerten Bericht:
Als wir im April diesen Jahres die erst kürzlich in Auftrag gegebene Orgelpflege, die von nun an in zweijährigem Turnus regelmäßig ausgeführt wird, zum ersten Mal durchgeführt haben, stellten wir neben einer stark eingeschränkten Spielbarkeit im Bereich der Manualklaviatur sowie der Registerzüge vor allem fest, dass die Orgel in nicht unerheblichem Maße von Schimmel befallen war. Natürlich war die Orgel nach den 27 Jahren ihres Bestehens im Inneren nicht unerheblich verstaubt – man stelle sich vor, wie es in einem Wohnraum nach 27 Jahren ohne Reinigung aussieht. Unter der Verstaubung leidet zum einen die Stimmung des Instrumentes, zum anderen die Tonentwicklung.
Im weiteren waren Bleischeiben, die als Dichtung dienten korrodiert, die führt zum einen zum Windverlust zum anderen aber, was einer dringenden Abhilfe bedurfte, verteilt sich das Zersetzungsprodukt, ein weißes Pulver (umgangssprachlich Bleiweiß oder Bleizucker genannt), in der Atemluft. Da Blei beim Einatmen und Verschlucken toxisch wirkt, musste hier dringend gehandelt werden. Ich erstellte darauf hin umgehend eine Bestandsdokumentation mit Kostenangebot für die anstehenden Maßnahmen.
Die Vorgaben der Landeskirche machen es erforderlich, dass ein amtlicher Orgelsachverständiger den Sachverhalt prüft und die Notwendigkeit bestätigt. So wurde seitens des Kirchenvorstands KMD Oliver Scheffels aus Neu-Ulm mit der Begutachtung betraut und er bestätigte die vorgesehenen Maßnahmen voll umfänglich. Er schlug des Weiteren vor, die Orgel von der Wand abzurücken, um zum einen die Zirkulation zu verbessern, zum anderen den Feuchteeintrag durch die Außenwände in die Orgel zu verringern. Man muss dazu wissen, dass Schimmelbildung ebenso wie Bleikorrosion als Voraussetzung eine erhöhte Luftfeuchtigkeit von ca. 65% benötigen.
Am 12.10. begannen meine Mitarbeiter Martin Häusler und Fabian Schrewe mit den Reinigungsarbeiten. Es wurden sämtliche Pfeifen, Pfeifenstöcke und Raster ausgebaut und in unserer Werkstätte in Dillingen gereinigt und überholt, Beschädigungen ausgebessert. Die Oberflächen der Klaviaturbeläge wurden abgeschliffen und mit einer neuen Oberfläche. Die Pedalklaviatur wurde neu lackiert, die Führungen und Dämpfungen teilweise erneuert und die Führungen der Registerzüge optimiert. Der Schimmel, der sich im Inneren der Orgel vor allem auf den Klaviaturen und Trakturwippen befunden hat, wurde zunächst mit Staubsaugern mit H-Klassifizierung abgesaugt, dann mit Alkohol und Wasserstoffperoxid bekämpft. Ebenso wurde ein Großteil der Holzpfeifen bearbeitet. Dies alles musste wegen der zumindest allergenen, wenn nicht gar toxischen Wirkung (eine labortechnische Bestimmung der Schimmelarten war wegen des Umfangs des Befalls nicht erforderlich), unter Vollschutz (Atemschutzmaske/Schutzhandschuhe/Schutzoverall) ausgeführt werden.
Die zerfallenden Bleischeiben wurden ebenfalls unter Vollschutz gegen Edelstahlscheiben ausgetauscht, diese sind nach derzeitigem Wissen gegen Korrosionen jeglicher Art stabil.
Vor dem Rückbau der ausgebauten Teile wurde die Orgel an ihren jetzigen Standort, ca. 30 cm von der Rückwand entfernt, verrückt.
Sie werden sicherlich fragen, warum man nicht schon damals auf diese Probleme beim Bau der Orgel reagiert hat. Hierzu ist die Antwort recht einfach: die Probleme gab es damals nicht bzw. nicht in dem Ausmaß, mit dem wir heute an vielen Stellen konfrontiert sind. Neben der inzwischen unleugbaren Klimaveränderung hat sich das Nutzungsverhalten, das Heizungs- und Lüftungsverhalten sowie die Umweltsituationen per se deutlich verändert. Es würden den Rahmen sprengen, die Zusammenhänge hier ausführlich zu erläutern. Ich möchte nur so viel mitteilen: die hier vorgefundenen Probleme treten inzwischen in sehr vielen Kirchenräumen und damit in den Orgeln auf.
Am 21.10. habe ich dann mit Fabian Schrewe das Pfeifenwerk nachintoniert. Das bedeutet zum einen, dass Ungleichmäßigkeiten in der Pfeifenansprache, -lautstärke und -klangfarbe ausgeglichen werden. Hier hatten wir jedoch durch den geänderten Standort noch mehr zu tun: die tiefen Töne des Subbass 16‘/Gedecktbass 8‘, der sich zuvor direkt an der Rückwand befunden hat, konnten sich nun durch den Abstand deutlich besser entwickeln. Hier mussten wir zum Teil erhebliche Eingriffe in der Lautstärke und Ansprache vornehmen, um die Balance zwischen Manual und Pedal wiederherzustellen. Auch bei den Manualregistern haben wir im manchmal etwas groben Anspracheverhalten mäßige Anpassungen vorgenommen. Abschließend haben wir die Orgel wieder auf die vorgefundene Tonhöhe und Stimmtonart gebracht. Die Stimmtonart ist eine sogenannte Werckmeister III-Stimmung, eine wohltemperierte Stimmung. Hier klingen nicht alle Tonarten gleich, sondern manche klingen sauberer als wir das gewohnt sind, manche schlechter, aber jede Tonart hat seine eigene Charakteristik. Im liturgischen Bereich, in dem Tonarten bis maximal drei Vorzeichen (# oder b) vorliegen ist diese Stimmung in jedem Falle reiner als die übliche gleichstufige Temperierung.
Am Donnerstag 28.10.2020 wurden die Arbeiten von KMD Oliver Scheffels überprüft und deren einwandfreie Ausführung bestätigt.
Ich wünsche der Höchstädter Gemeinde viel Freude an Ihrem Schmuckstück.
Gott behüte Sie.
Herzlichst
Ihr
Norbert Bender
Orgelbaumeister und Restaurator